Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung, über den Lehrermangel, Inklusion und die Fehler in der Schulpolitik.
Deutschlands Schulleiter mögen ihren Job und fühlen sich von ihrem Kollegium gut unterstützt. Aber: Sie bewerten den Lehrermangel als großes Problem, Inklusion und Integration als schwierig umsetzbar und fühlen sich von der Politik oft alleingelassen. Das zeigt eine Forsa-Umfrage unter 1200 Rektoren, die am Freitag im Rahmen des Deutschen Schulleiterkongresses in Düsseldorf vorgestellt wurde. Udo Beckmann ist Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) und kennt die Probleme der Kollegen aus seiner eigenen Zeit als Leiter einer Dortmunder Hauptschule.
SZ: Herr Beckmann, laut der Forsa-Umfrage gehen die meisten Schulleiter Deutschlands sehr gern zur Arbeit. Das ist doch eine gute Nachricht.
Udo Beckmann: Prinzipiell ja, besonders wenn man sich ansieht, unter welch schwierigen Bedingungen sie ihren Job machen müssen. Besonders bedrückend ist speziell ein Ergebnis der Umfrage: Sehr viele Schulleiter sind enttäuscht darüber, dass in der Politik Entscheidungen getroffen werden, ohne dabei auf die schulische Realität Rücksicht zu nehmen.
Sie meinen die Inklusion, die fast jeder vierte Befragte als problematisch empfindet?
Das ist ein prägnantes Beispiel. Hier hat es aus der Politik viele Versprechungen gegeben, die bei den Eltern betroffener Kinder Erwartungen geschürt haben. Und vor Ort müssen Schulleitungen dann den Eltern erklären, dass die schulische Realität leider anders aussieht: Sonderpädagogen fehlen, die Lehrkräfte sind nicht durch Fortbildungen auf die neuen Aufgaben vorbereitet worden, es fehlen passende Räumlichkeiten und von Barrierefreiheit kann keine Rede sein.
Eine frustrierende Situation für Lehrkräfte und Schulleitungen.
Die Kolleginnen und Kollegen müssen oft den Kopf dafür hinhalten, dass politische Entscheidungen getroffen werden, denen die Grundlage fehlt – oder bei denen völlig unklar ist, ob sie überhaupt durchgesetzt werden. Thema Digitalisierung: Vor eineinhalb Jahren hat die damalige Bildungsministerin Wanka ein fünf Milliarden schweres Digitalpaket für die Schulen angekündigt. Von dem Geld steht bis heute aber kein Euro im Haushalt. Und die Eltern wundern sich, warum die Schule ihrer Kinder nicht endlich ordentliche Computer und schnelleres Internet bekommt. So kommen Konflikte in die Bildungspartnerschaft, für die keine Lehrkraft etwas kann. Sehr ärgerlich.
Offenbar ärgern sich besonders jüngere Lehrkräfte in Leitungspositionen. Deutlich weniger von ihnen würden den Job weiterempfehlen als ihre älteren Kollegen. Warum ist das so?
Einerseits können erfahrenere Kollegen ihre Aufgaben vermutlich etwas besser koordinieren. Andererseits aber denke ich, dass die Jungen nicht gut genug auf eine Leitungsposition vorbereitet werden. Das ist insofern bedenklich, da in Deutschland Hunderte Schulleiterstellen nicht besetzt sind und es offensichtlich nicht gelingt, jungen Lehrkräften diese Aufgabe schmackhaft zu machen.
Süddeutsche Zeitung / 9. März 2018
Interview von Matthias Kohlmaier