Deutsche Presse-Agentur: Woran hapert es noch besonders im digitalen Klassenzimmer?
Christoph Meinel: Das Problem ist: Das gibt es in Deutschland noch fast nirgendwo. Man müsste doch im digitalen Zeitalter erwarten, dass die junge Generation darauf vorbereitet wird, mit digitalen Medien umzugehen. Und dass dies auch in der Schule geschieht. Die Fragen, wie man mit bestimmten Medien umgeht und was man da beachten muss, sind für junge Leute lebenswichtig, spielen aber in den Schulen immer noch keine Rolle.
Das liegt nicht an den Lehrern, wie oft behauptet wird, sondern einfach daran, dass in den Schulen die notwendige Infrastruktur fehlt: WLAN, Breitband-Anbindung und Smart Devices. Die Schüler müssen heute in separate Rechner-Kabinette gehen, die zudem meist nicht professionell gewartet und auf dem neuesten Stand sind.
Deutsche Presse-Agentur: Solch eine allgemeine Bildung im Medienumgang könnte man ja noch in gut ausgestatteten Rechner-Kabinetten machen. Warum geht Ihre Forderung da weiter?
Christoph Meinel: Es geht darum, dass in allen Fächern und in jedem Klassenraum mit digitalen Medien gearbeitet werden kann, so wie mit einem Schulbuch. Wie die digitalen Inhalte aussehen müssen und ob sie wirkungsvoll sind, wann sie am sinnvollsten eingesetzt werden und in welchem Umfang – das müssen wir erst noch lernen. Dazu braucht es didaktische Erfahrungen, die aber bislang gar nicht gewonnen werden können, einfach weil eine flächendeckende Infrastruktur fehlt.
Deutsche Presse-Agentur: Was macht denn digitale Lernmittel besser als ein Schulbuch?
Christoph Meinel: Mit den digitalen Lerninhalten kann viel individueller auf die besonderen Fähigkeiten eines Schülers eingegangen werden. Sehr viel Lernsoftware gibt es beispielsweise im Bereich der Mathematik. Da werden Fragen gestellt und je nach Antwort der Schüler folgen zielgerichtet die nächsten Fragen. Das kann viel individueller erfolgen, als der Lehrer das mit 30 Kindern hinbekommen kann. Man darf aber keinen Gegensatz zwischen digitalen Medien und Schulbüchern aufmachen: Man braucht beides. Wann welches Medium den besten Lernerfolg bietet – das müssen wir erst herausfinden. Man wird das feststellen, wenn die Lehrer mit beidem gleichwertig umgehen können.
Was sich durch die Schul-Cloud auf jeden Fall verändern lässt, ist die Kommunikation. Man kann sich leicht Nachrichten schicken und die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit verbessern sich. Auch kann im Digitalen von verschiedenen Orten aus gemeinsam an einem Projekt gearbeitet werden.
Deutsche Presse-Agentur: Was soll die Schul-Cloud dabei bewirken?
Christoph Meinel: Mit der Schul-Cloud entwickeln wir eine Infrastruktur für Schüler und Lehrer, damit sie einfach und von überall her auf digitale Inhalte zugreifen können. In unserer Testphase mit den ersten 27 Schulen haben wir bereits eine fünfstellige Zahl von digitalen Lerninhalten in der Cloud, von Landkarten bis hin zu hochkomplexen interaktiven Lernsystemen, die von Schulbuchverlagen entwickelt werden. Dem Lehrer muss alles zur Verfügung stehen und er entscheidet darüber, was davon im Unterricht genutzt wird.
Deutsche Presse-Agentur: Wie nutzen dies die Schüler?
Christoph Meinel: Die Schüler können nicht nur im Unterricht, sondern auch zu Hause und in den Ferien auf ihre Materialien und digitale Lerninhalte zugreifen und sie sicher ablegen. Der Schüler kann seinen Fundus auch mitnehmen, wenn er die Klasse oder die Schule wechselt. Und es ist sichergestellt, dass die personenbezogenen Daten die Schul-Cloud nicht verlassen.
Deutsche Presse-Agentur: Wie verläuft der Test?
Christoph Meinel: Für die ersten 27 Plätze in diesem Jahr haben sich Mint-EC-Schulen aus 14 Bundesländern qualifiziert. Das sind Schulen mit einer exzellenten Ausbildung und einer naturwissenschaftlichen Ausrichtung. Dafür muss die Mindestinfrastruktur von WLAN und Breitband-Versorgung bereitstehen. Ein Stück schockierend war für uns die Erfahrung, wie wenige dieser Exzellenz-Schulen überhaupt über diese Mindestausstattung verfügen. Im nächsten Schritt wollen wir kommendes Schuljahr alle 300 Exzellenz-Schulen an die Cloud anschließen. dpa